Wonniges Wolferl
Lebenslust und Leiden: Ein Mozart-Bildnis in der Berliner Gemäldegalerie zeigt Mozart gut genährt
Johann Georg Edlinger porträtierte Wolfgang Amadeus Mozart wahrscheinlich 1790, wenige Monate vor dessen Tod
Foto: dpa
Von Kai Luehrs-Kaiser
Musikgenie zwischen Verschwendungssucht und verhärmter Armut — doch aus Mozart-Porträts spricht auch Lebensfreude, Lust am Genuss und tödliche Krankheit. Höchste Zeit, über Amadeus-Legenden nachzudenken.
War Mozart dicklich und wohlgenährt? Ein neu aufgetauchtes Bildnis zeigt den Salzburger Meister in seiner späten Zeit, im Jahre 1790. Mozart war 34 Jahre alt und hatte noch gut ein Jahr zu leben. Die Sensation: Pausbäckig und jovial, den Jackenknopf mühsam über dem Bäuchlein geschlossen, bietet Mozart einen Anblick gesunder Lebensfreude und jovialer Genussfähigkeit.
Die Augen lachen, der Mund spitzt sich süffisant zu: Auf dem Bildnis von Johann Georg Edlinger (1741-1819) lacht uns ein Mozart an, der fast den Eindruck erweckt, er habe zu viele Mozart-Kugeln verzehrt. Ist dies der Beginn eines neuen Mozart-Bildes? Greift unsere Vorstellung vom zerrissenen Genie, das zwischen verschwenderischem Hallodri und tragischem Einzelkämpfer oszillierte, doch viel zu kurz? Vor allem aber: Ist denn dies wirklich Mozart?! Oder stellt das in der Berliner Gemäldegalerie beherbergte “Herrenbildnis” eher einen mitteldeutschen Duodez-Fürsten mit dem fatalen Hang zur Süssspeise dar?
Nein, die Forscher sind sich einmal einig: Dieses Mozart-Portrait ist authentisch. Der kurbayrische Hofmaler Johann Georg Edlinger kannte den Wirt des Gasthauses zum “Schwarzen Adler” in der Kauffinger Strasse zu München. Hier kehrte Mozart, der insgesamt siebenmal in München weilte, 1790 letztmalig ein. Dem Maler sass er voraussichtlich im unweit gelegenen Atelier in der Herzogspitalstrasse Modell. Ein Nachfahre des Malers, Wolfgang Seiller, entdeckte vor einigen Jahren in dem 1934 für 650 Reichsmark nach Berlin verkauften Gemälde das Modell seines Ahnen. Und sorgte bei seinem Besuch in Berlin für Staunen bei den Museumsleuten.
Mit Hilfe von Computertechnik und gründlicher Analyse rückten er und der Oberkustos der Berliner Sammlung, Reiner Michaelis, dem Bild näher. Und siehe: dieselbe Sattelnase, dasselbe etwas grössere linke Auge wie auf dem anonymen Mozart-Bildnis im Civico Museo Bibliografico Musicale in Bologna. “Ein überraschend lebendiger Mozart” komme ihm da entgegen, jubelt auch Bernd Lindemann, Chef der Berliner Gemäldegalerie. Sogar für das vitale Aussehen des Komponisten gibt es weiteren Beleg: Eine in Leipzig aufbewahrte Silberstiftzeichnung der Malerin Dora Stock zeigt Mozart ebenso proper wie das Berliner Bild.
Mit Mozarts augenscheinlicher Gemütlichkeit freilich hat es, wie man inzwischen weiss, eine eher betrübliche Bewandtnis. Nach neuesten Forschungen starb Mozart 1791 nicht an der Syphilis oder infolge des Neids von Antonio Salieri. Mozart erlag einem Nierenbluten. Die vorangehende Quecksilberbehandlung sah man ihm schon Monate zuvor an. Sie liess ihn leicht aufgeschwemmt erscheinen. Mozarts vermeintliche Gesundheit ist daher Vorzeichen seines nahen Todes. Und erklärt damit auch die verhältnismässig kleine Zahl existierender Mozart-Bildnisse. Nicht mehr als zehn Mozart-Porträts existieren weltweit. Von Wunderkindesbeinen an war er ein Superstar. Einer grösseren Anzahl von Bildnissen aber entzog er sich einfach durch seinen frühen Tod.
Mit dem Berliner Bild lichten sich somit weiter die Legenden um das tragische Genie. Von Rätseln und vermeintlichen Beweisführungen umstellt, tritt uns erst jetzt hinter der Legende vom verarmten Genie der Mensch mit seinen Fehlern und Unzulänglichkeiten entgegen. Zum Beispiel, was seine Armut anbetrifft. Sie ist nicht, wie man lange Zeit glaubte, auf mangelnde Entlohnung zurückzuführen, sondern einfach darauf, dass Mozart das verdiente Geld mit vollen Händen unverzüglich wieder ausgab. Das zugrunde gerichtete, gar ermordete Genie: ein verbummelter Freigeist. Die Welt lechzt nach Mozart-Legenden. Zum bevorstehenden 250. Geburtstag muss sie sich jetzt ein Paar neue überlegen.
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Mozart-Porträt: G’sund schaut er aus!
VON ANNE-CATHERINE SIMON UND DANIELA TOMASOVSKY
In der Berliner Gemäldegalerie ist ein neues Mozartbild aufgetaucht. Was kann es erzählen?
Wir hatten das Gefühl, dass Mozart durchaus etwas gesünder aussehen darf. Also haben wir das Mozart-Porträt überarbeitet, es ist frischer, farbiger . . .” – so schildert Ingeborg Gasser-Kriss, Marketing-Direktorin für Süsswaren bei der Firma Kraft Foods österreich, den letzten Design-Relaunch der Mirabell Mozartkugeln.
Gesund, jovial und lebensfroh wirkt der Komponist auch auf einem vor kurzem entdeckten, späten Porträt (siehe Bild 1): Blaue, lachende Augen, volle Oberlippen, eine grüne Jacke, die sich über dem Bäuchlein gerade noch schliessen lässt: So könnte Mozart rund ein Jahr vor seinem Tod ausgesehen haben. Rainer Michaelis, Oberkustos der Berliner Gemäldegalerie, ist sich ziemlich sicher, dass auf einem 1790 entstandenen Gemälde des bayrischen Hofmalers Johann Georg Edlinger der 34-jährige Komponist abgebildet ist. “Das Bild hängt seit 70 Jahren als Herrenbildnis bei uns in der Gemäldegalerie. Wolfgang Seiller, ein Nachfahre des Malers, der gleichzeitig Musikliebhaber ist, hat sich Mitte der 1990er-Jahre näher mit dem Bild befasst und eine ähnlichkeit des Porträtierten mit Mozart festgestellt”, erzählt Michaelis. “Seiller, der von Beruf Informatiker ist, hat das Bild dann mittels Computer-Analyse mit einem späten Mozart-Bild aus dem Musikmuseum in Bologna verglichen. Und siehe da: Auf dem Edlinger-Bild ist dieselbe Sattelnase und dasselbe etwas grössere linke Auge zu sehen wie auf dem anonymen Mozartbildnis aus dem Civico Museo Bibliografico Musicale.” Das 1777 entstandene Gemälde aus Bologna gilt als einziges gesichertes Spät-Porträt des Komponisten.
Für das vitale Aussehen des Komponisten gibt es einen weiteren Beleg: Eine in Leipzig aufbewahrte Silberstiftzeichnung der Malerin Dora Stock zeigt Mozart ebenso wohlgenährt wie das Berliner Bild. Wissenschaftler sehen die Pausbacken allerdings nicht unbedingt als Zeichen für Gesundheit. Nach neuesten Forschungen starb Mozart 1791 nicht an der Syphilis, sondern an einer Nierenblutung. Die vorhergehende Quecksilberbehandlung habe man ihm schon Monate zuvor angesehen. Sie liess ihn leicht aufgeschwemmt erscheinen. Mozarts vermeintliche Gesundheit könnte daher Vorzeichen seines nahen Todes sein. Martin Hohenegger, Pharmakologe am AKH Wien, meint zu dieser Theorie: “Dass Quecksilber für die Pausbacken verantwortlich ist, glaube ich nicht. Aber Mozart wurde als Kind in der Kutsche durch ganz Europa geschleift und hatte oft Infekte. Da ist es sehr wahrscheinlich, dass im Alter die Nieren versagten. Wenn das passiert, ist zu viel Flüssigkeit im Körper, er wirkt aufgeschwemmt.”
Auch die historischen Umstände bekräftigen die These, dass auf dem Gemälde Mozart zu sehen ist. Michaelis: “Johann Georg Edlinger kannte den Wirten des Gasthauses zum ,Schwarzen Adler’ in der Kauffinger Strasse zu München. Hier kehrte Mozart, der insgesamt siebenmal in München weilte, 1790 letztmalig ein. Der Wirt, Herr Albert, war mehrfach von Edlinger porträtiert worden – und man weiss, dass er Musikliebhaber war.”
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Die Tageszeitung (“Taz”) reports that the museum knew the portrait was that of Mozart since 1999. Click here for details.
A Lost Portrait of Mozart Recovered?
Wonniges Wolferl
Lebenslust und Leiden: Ein Mozart-Bildnis in der Berliner Gemäldegalerie zeigt Mozart gut genährt
Johann Georg Edlinger porträtierte Wolfgang Amadeus Mozart wahrscheinlich 1790, wenige Monate vor dessen Tod
Foto: dpa
Von Kai Luehrs-Kaiser
Musikgenie zwischen Verschwendungssucht und verhärmter Armut — doch aus Mozart-Porträts spricht auch Lebensfreude, Lust am Genuss und tödliche Krankheit. Höchste Zeit, über Amadeus-Legenden nachzudenken.
War Mozart dicklich und wohlgenährt? Ein neu aufgetauchtes Bildnis zeigt den Salzburger Meister in seiner späten Zeit, im Jahre 1790. Mozart war 34 Jahre alt und hatte noch gut ein Jahr zu leben. Die Sensation: Pausbäckig und jovial, den Jackenknopf mühsam über dem Bäuchlein geschlossen, bietet Mozart einen Anblick gesunder Lebensfreude und jovialer Genussfähigkeit.
Die Augen lachen, der Mund spitzt sich süffisant zu: Auf dem Bildnis von Johann Georg Edlinger (1741-1819) lacht uns ein Mozart an, der fast den Eindruck erweckt, er habe zu viele Mozart-Kugeln verzehrt. Ist dies der Beginn eines neuen Mozart-Bildes? Greift unsere Vorstellung vom zerrissenen Genie, das zwischen verschwenderischem Hallodri und tragischem Einzelkämpfer oszillierte, doch viel zu kurz? Vor allem aber: Ist denn dies wirklich Mozart?! Oder stellt das in der Berliner Gemäldegalerie beherbergte “Herrenbildnis” eher einen mitteldeutschen Duodez-Fürsten mit dem fatalen Hang zur Süssspeise dar?
Nein, die Forscher sind sich einmal einig: Dieses Mozart-Portrait ist authentisch. Der kurbayrische Hofmaler Johann Georg Edlinger kannte den Wirt des Gasthauses zum “Schwarzen Adler” in der Kauffinger Strasse zu München. Hier kehrte Mozart, der insgesamt siebenmal in München weilte, 1790 letztmalig ein. Dem Maler sass er voraussichtlich im unweit gelegenen Atelier in der Herzogspitalstrasse Modell. Ein Nachfahre des Malers, Wolfgang Seiller, entdeckte vor einigen Jahren in dem 1934 für 650 Reichsmark nach Berlin verkauften Gemälde das Modell seines Ahnen. Und sorgte bei seinem Besuch in Berlin für Staunen bei den Museumsleuten.
Mit Hilfe von Computertechnik und gründlicher Analyse rückten er und der Oberkustos der Berliner Sammlung, Reiner Michaelis, dem Bild näher. Und siehe: dieselbe Sattelnase, dasselbe etwas grössere linke Auge wie auf dem anonymen Mozart-Bildnis im Civico Museo Bibliografico Musicale in Bologna. “Ein überraschend lebendiger Mozart” komme ihm da entgegen, jubelt auch Bernd Lindemann, Chef der Berliner Gemäldegalerie. Sogar für das vitale Aussehen des Komponisten gibt es weiteren Beleg: Eine in Leipzig aufbewahrte Silberstiftzeichnung der Malerin Dora Stock zeigt Mozart ebenso proper wie das Berliner Bild.
Mit Mozarts augenscheinlicher Gemütlichkeit freilich hat es, wie man inzwischen weiss, eine eher betrübliche Bewandtnis. Nach neuesten Forschungen starb Mozart 1791 nicht an der Syphilis oder infolge des Neids von Antonio Salieri. Mozart erlag einem Nierenbluten. Die vorangehende Quecksilberbehandlung sah man ihm schon Monate zuvor an. Sie liess ihn leicht aufgeschwemmt erscheinen. Mozarts vermeintliche Gesundheit ist daher Vorzeichen seines nahen Todes. Und erklärt damit auch die verhältnismässig kleine Zahl existierender Mozart-Bildnisse. Nicht mehr als zehn Mozart-Porträts existieren weltweit. Von Wunderkindesbeinen an war er ein Superstar. Einer grösseren Anzahl von Bildnissen aber entzog er sich einfach durch seinen frühen Tod.
Mit dem Berliner Bild lichten sich somit weiter die Legenden um das tragische Genie. Von Rätseln und vermeintlichen Beweisführungen umstellt, tritt uns erst jetzt hinter der Legende vom verarmten Genie der Mensch mit seinen Fehlern und Unzulänglichkeiten entgegen. Zum Beispiel, was seine Armut anbetrifft. Sie ist nicht, wie man lange Zeit glaubte, auf mangelnde Entlohnung zurückzuführen, sondern einfach darauf, dass Mozart das verdiente Geld mit vollen Händen unverzüglich wieder ausgab. Das zugrunde gerichtete, gar ermordete Genie: ein verbummelter Freigeist. Die Welt lechzt nach Mozart-Legenden. Zum bevorstehenden 250. Geburtstag muss sie sich jetzt ein Paar neue überlegen.
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Mozart-Porträt: G’sund schaut er aus!
VON ANNE-CATHERINE SIMON UND DANIELA TOMASOVSKY
In der Berliner Gemäldegalerie ist ein neues Mozartbild aufgetaucht. Was kann es erzählen?
Wir hatten das Gefühl, dass Mozart durchaus etwas gesünder aussehen darf. Also haben wir das Mozart-Porträt überarbeitet, es ist frischer, farbiger . . .” – so schildert Ingeborg Gasser-Kriss, Marketing-Direktorin für Süsswaren bei der Firma Kraft Foods österreich, den letzten Design-Relaunch der Mirabell Mozartkugeln.
Gesund, jovial und lebensfroh wirkt der Komponist auch auf einem vor kurzem entdeckten, späten Porträt (siehe Bild 1): Blaue, lachende Augen, volle Oberlippen, eine grüne Jacke, die sich über dem Bäuchlein gerade noch schliessen lässt: So könnte Mozart rund ein Jahr vor seinem Tod ausgesehen haben. Rainer Michaelis, Oberkustos der Berliner Gemäldegalerie, ist sich ziemlich sicher, dass auf einem 1790 entstandenen Gemälde des bayrischen Hofmalers Johann Georg Edlinger der 34-jährige Komponist abgebildet ist. “Das Bild hängt seit 70 Jahren als Herrenbildnis bei uns in der Gemäldegalerie. Wolfgang Seiller, ein Nachfahre des Malers, der gleichzeitig Musikliebhaber ist, hat sich Mitte der 1990er-Jahre näher mit dem Bild befasst und eine ähnlichkeit des Porträtierten mit Mozart festgestellt”, erzählt Michaelis. “Seiller, der von Beruf Informatiker ist, hat das Bild dann mittels Computer-Analyse mit einem späten Mozart-Bild aus dem Musikmuseum in Bologna verglichen. Und siehe da: Auf dem Edlinger-Bild ist dieselbe Sattelnase und dasselbe etwas grössere linke Auge zu sehen wie auf dem anonymen Mozartbildnis aus dem Civico Museo Bibliografico Musicale.” Das 1777 entstandene Gemälde aus Bologna gilt als einziges gesichertes Spät-Porträt des Komponisten.
Für das vitale Aussehen des Komponisten gibt es einen weiteren Beleg: Eine in Leipzig aufbewahrte Silberstiftzeichnung der Malerin Dora Stock zeigt Mozart ebenso wohlgenährt wie das Berliner Bild. Wissenschaftler sehen die Pausbacken allerdings nicht unbedingt als Zeichen für Gesundheit. Nach neuesten Forschungen starb Mozart 1791 nicht an der Syphilis, sondern an einer Nierenblutung. Die vorhergehende Quecksilberbehandlung habe man ihm schon Monate zuvor angesehen. Sie liess ihn leicht aufgeschwemmt erscheinen. Mozarts vermeintliche Gesundheit könnte daher Vorzeichen seines nahen Todes sein. Martin Hohenegger, Pharmakologe am AKH Wien, meint zu dieser Theorie: “Dass Quecksilber für die Pausbacken verantwortlich ist, glaube ich nicht. Aber Mozart wurde als Kind in der Kutsche durch ganz Europa geschleift und hatte oft Infekte. Da ist es sehr wahrscheinlich, dass im Alter die Nieren versagten. Wenn das passiert, ist zu viel Flüssigkeit im Körper, er wirkt aufgeschwemmt.”
Auch die historischen Umstände bekräftigen die These, dass auf dem Gemälde Mozart zu sehen ist. Michaelis: “Johann Georg Edlinger kannte den Wirten des Gasthauses zum ,Schwarzen Adler’ in der Kauffinger Strasse zu München. Hier kehrte Mozart, der insgesamt siebenmal in München weilte, 1790 letztmalig ein. Der Wirt, Herr Albert, war mehrfach von Edlinger porträtiert worden – und man weiss, dass er Musikliebhaber war.”
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Die Tageszeitung (“Taz”) reports that the museum knew the portrait was that of Mozart since 1999. Click here for details.