Staatsoper: Was weiss Wien noch von Mozart?
VON WILHELM SINKOVICZ
Edita Gruberova singt noch einmal die Donna Anna in einem etwas chaotischen “Don Giovanni”.
Auf dem Programmzettel liest man: 136. Aufführung in dieser Inszenie rung. Tatsächlich: Wenn der Vor hang sich hebt, erblickt der Staatsopernbesucher die altvertrauten Kulissen der einst von Franco Zeffirelli betreuten “Don Giovanni”-Produktion. Sie ist über 30 Jahre alt und ersetzt aus unerfindlichen Gründen schon wieder die erst vor zwei Jahren aus dem Theater an der Wien ins grosse Haus übersiedelte, jüngere Inszenierung.
Damit sind die Anknüpfungen an die Wiener Mozart-Tradition auch schon wieder zu Ende. In Zeffirellis Kulissen hatten sich einst noch Restbestände von Sing- und Spielkultur ereignet, die den Zaungast angelegentlich darauf verwiesen, dass in dieser Stadt einmal Mozarts grosse Opern auf ganz besondere Weise gepflegt wurden, dass diese Tradition von Generation zu Generation vererbt und insbesondere im philharmonischen Orchester innig bewahrt wurde.
Tempi passati. Von einer Mozart-Spielkultur sind wir heute so weit entfernt wie von einem Sängerensemble, das diesen Namen verdiente. Denn ein Ensemble zeichnet sich jedenfalls dadurch aus, dass die einzelnen Vertreter miteinander in Spiel und Singweise harmonieren, aufeinander eingehen und miteinander ein Stück erzählen, sich und dem Publikum zur Freude.
Dergleichen ist in Wien seit Jahren nur noch in Ausnahmefällen zu erleben – zuletzt bei “Figaros Hochzeit” in der Volksoper, bei “Idomeneo” und natürlich bei den von Riccardo Muti betreuten Vorstellungen im Theater an der Wien. Im Grossen und Ganzen aber ist von einheitlichem Gestaltungswillen und -können keine Rede mehr. Man kämpft mehr ums überleben. Und zwar jeder für sich.
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