Alle Jahre wieder – Das Weihnachtsoratorium in der Thomaskirche, mit den Thomaner, dem Gewandhausorchester und Gästen
Weihnachtsoratorien sind auch eine Jahrgangsfrage: Frei von der Diskussion um die Herrlichkeit Bachscher Noten, fixiert auf die individuelle Interpretation. Insofern ist Thomaskantor Georg Christoph Biller um seine Aufgabe nicht zu beneiden, auch wenn er an gestern Abend – mit Fliege und freiem Blick – dezenten Optimismus ausstrahlt. Obwohl vor einer Woche in Berlin ein Kollege der schreibenden Zunft weniger zurückhaltend als kritisch mit der aktuellen WO-Version der Thomaner umgegangen ist. Am Artikelende stand die wahre, aber nicht gerade neue Erkenntnis, dass Tradition kein Argument sei. Nun ja, eher ein Ansatz. Egal, solche Phrasensrescherei sollte Biller nicht kümmern.
Um es gleich vorwegzunehmen: Dieser Jahrgang ist ein guter. Keiner vom anderen Stern. Aber durchaus für jene hohen Ansprüchen gemacht, die diese zentrale Werkaufführung nun mal mit sich bringen. Dass es da nicht in jeder Höhe entrückt klingen kann, ist der schnöden, menschlichen Fehlbarkeit anzukreiden, bleibt verzeihlich. Zumal sich Biller offensichtlich – und das ist gut so – damit abgefunden hat, im Streben nach Authentizität nicht auf jeden vorlauten Historiker zu hören, sondern mit dem zurecht zu kommen, was zur Verfügung steht. Die Rede ist vom Gewandhausorchester, bekanntlich eher in romantischen, denn barocken Strömungen gewachsen.
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